Kündigung – Personenbedingte Kündigung – Verdachtskündigung
Hat ein Arbeitnehmer nachweislich eine strafbare Handlung begangen oder sich eine Vertragsverletzung zu schulde kommen lassen, so ist der Arbeitgeber in der Regel aufgrund dieser Tat zur Kündigung des Arbeitsvertrags berechtigt (so genannte Tatkündigung).
Nun wird sich eine solche Tat nicht immer beweisen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 29. 11. 2007, 2 AZR 725/06 Rn 26 ff. , Rn 29; BAG, Urteil vom 13.03.2008, 2 AZR 961/06 - Rn 14, Urteil vom 28.11.2007, 5 AZR 952/06 - Rn 18) kann daher bereits der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Man spricht in diesen Fällen von einer Verdachtskündigung. Eine Verdachtskündigung liegt also vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Allerdings kann sich der Arbeitgeber stets nur auf eigene Erkenntnisse berufen, die seinen Verdacht begründen. Unzureichend ist daher bloße Verweis auf staatsanwaltliche Ermittlungsergebnisse oder ein Strafverfahren (BAG, Urteil vom 25.10.2012, 2 AZR 700/11 - Rn 16). Für eine Verdachtskündigung kommt es demnach nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer die Tat tatsächlich begangen hat. Die Verdachtskündigung ist somit keine verhaltensbedingte Kündigung. Die Tatkündigung und die Verdachtskündigung sind vielmehr zwei eigenständige Kündigungsgründe, die sich nicht gegenseitig bedingen. In der Praxis wird der Arbeitgeber bei einem strafrechtlichen Hintergrund sowohl eine Tatkündigung als auch eine Verdachtskündigung aussprechen. Im Gegensatz zur Tatkündigung (verhaltensbedingte Kündigung) ist die Verdachtskündigung ein Unterfall der personenbedingten Kündigung. Eine vorherige Abmahnung ist daher nicht erforderlich.
Eine Verdachtskündigung setzt voraus:
Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Anhörungspflicht, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht als Kündigungsgrund berufen. Die ordnungsgemäße Anhörung (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.12.2010 2 Sa 2022/10 - Rn 20) ist daher bei einer Verdachtskündigung regelmäßiger Streitpunkt vor den Arbeitsgerichten. Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Anhörung des Arbeitgebers muss sich auf den greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss im Rahmen der Anhörung die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder Entlastungstatsachen vorzubringen. Der Arbeitgeber muss alle erheblichen Umstände angeben, aus denen er seinen Verdacht ableitet. Nur dann hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich umfassend zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten zu äußern.
Ist dagegen der Arbeitnehmer nicht bereit, an einer Aufklärung des Verdachts mitzuwirken, will er sich zur Sache nicht äußern ohne Gründe dafür zu benennen, so hat der Arbeitgeber seiner Anhörungspflicht damit genüge getan. Eine weitere Anhörung des Arbeitgebers wäre überflüssig (BAG 13.03.2008, 5 AZR 952/06 - Rn 20). Das gilt aber nur dann, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer von vornherein nicht im Unklaren lässt. Lockt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter einem Vorwand zu einem Gespräch um ihn dann überraschend mit seinem Verdacht zu konfrontieren, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung. Denn der Arbeitnehmer hat in diesem Moment keine Möglichkeit sich in ausreichender Art und Weise gegen die Vorwürfe zu wehren (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25.06.2009, 5 TaBV 87/09).
Wurde der Arbeitnehmer zum Verdacht des Arbeitgebers angehört, so muss ihn der Arbeitgeber nicht noch ein weiteres Mal zu solchen Umständen anhören, die erst nach Ausspruch der Verdachtskündigung bekannt werden, aber bei Ausspruch der Kündigung bereits vorlagen (BAG, Urteil vom 23.05.2013, 2 AZR 102/12- Rn 25). Der Arbeitgeber ist daran nicht gehindert, die neuerlichen Kündigungsgründe im laufenden Kündigungsschutzverfahren nachzuschieben, selbst dann nicht, wenn am Ende die Verdachtskündigung allein auf die nachträglich bekannt gewordenen Gründe gestützt werden kann.
Hinweis: In jedem Fall sollte der Arbeitgeber einen erfahrenen Rechtsanwalt bei der Vorgehensweise einbeziehen. Selbst - wenn ein Tatverdacht für einen juristischen Laien auf der Hand zu liegen scheint, kann es so sein, dass der Sachverhalt oder die Beweismittel nicht hinreichend sind, um eine sofortige - fristlose Kündigung gerichtsfest zu begründen. Wenn z.B. der Arbeitgeber in seiner Person der einzige Zeuge wäre oder die Polizei nicht Diebesgut oder andere Beweismittel beschlagnahmt und somit sicher stellt, könnte die Beweissituation schwierig werden. Der Arbeitgeber, der selbst Partei eines Kündigungsschutzprozesses wäre, scheidet als Zeuge und somit als Beweismittel aus. Wenn Beweismittel wie z.B. Diebesgut nicht sichergestellt und erforderlichenfalls erkennungsdienstlich behandelt werden, da die Polizeibeamten die Situation falsch einschätzen wird die Beweisführung auch schwierig. Ein frühzeitig hinzugezogener Rechtsanwalt kann auf die Beachtung dieser Probleme hinweisen und auf eine entsprechende Handlungswiese der Beteiligten hinweisen. So ist auch die Anhörung unabdingbar, wenn auch der Sachverhalt und die Beweislage eindeutig erscheinen.
Von: Volker Semler Rechtsanwalt & Mediator